1% Prozent fürs Klima, 100% Prozent Genuss
Mit „Zero Foodprint“ unterstützen Gastgeber*innen und ihre Gäste die regenerative, CO2 speichernde Landwirtschaft. Die aus den USA stammende Initiative gibt es jetzt auch in Deutschland. Alle können mitmachen – vom Café über die Kantine bis zur Bar, vom Imbiss bis zum Sternerestaurant.
Viele Gäste wertschätzen es, wenn auf der Karte im Restaurant steht, woher die verwendeten Zutaten stammen – regionales, saisonales, biologisch erzeugtes Gemüse, ebenso Fleisch und Fisch sowie andere Lebensmittel stehen hoch im Kurs. Nachhaltigkeit erlebbar zu machen, genussvoll zu inszenieren, ist der Schlüssel zu einer besseren, verantwortungsvollen Esskultur. So weit, so schön. Doch gleichzeitig ist die Klimakrise zu einem der zentralen Themen der Gegenwart geworden, der letzte Bericht des Weltklimarats IPCC hat es noch einmal sehr deutlich gemacht: Das Zeitfenster, das „window of opportunities“, es schließt sich – jetzt muss gehandelt werden.
Genuss und Klimaschutz – das passt zusammen
Klimaschutz lässt sich im Großen – durch entscheidende politische Weichenstellungen ebenso wie im Kleinen – durch Konsumentscheidungen bzw. Änderungen von Verhaltensweisen – bewirken. Und in der Gastronomie? Nachhaltige Handlungen wie Energiesparen, kurze Lieferwege, Abfallreduktion oder nachhaltig produzierte und klimaneutrale Workwear tragen zum Klimaschutz bei. Gäste aktiv in den Klimaschutz einzubinden, war bislang jedoch etwas schwierig, geht es beim Besuch eines Restaurants oder Cafés doch um Genuss, Inspiration und einer kleinen Auszeit vom Alltag. Lassen sich diese Dinge dennoch mit Klimaschutz vereinbaren? Ja! Mit „Zero Foodprint“ wurde bereits 2015 in den USA eine Initiative gestartet, die genau diesen Ansatz wählt – und seit 2021 ist sie auch in Deutschland aktiv. Hier wird sie vom Verein Greentable e.V. (KAYA & KATO ist Mitglied, Anm. d. Red.) umgesetzt.
Für bessere Böden
Wie „Zero Foodprint“ funktioniert? Eigentlich ganz einfach: Ein Prozent des Umsatzes aus dem Gastronomie-Geschäft, also aus dem Verkauf von Speisen und Getränken, fließt über einen eigens eingerichteten Fonds in Projekte der regenerativen Landwirtschaft. Bei dieser Art der Landwirtschaft steht im Zentrum des Handelns, das natürliche Gleichgewicht der Ökosysteme intakt zu halten – vor allem des Ökosystems Boden. Während konventionelle Landwirtschaft Böden langfristig schädigt, schützt und stärkt die regenerative Bodenbewirtschaftung, auch Agrikultur genannt, die wertvolle Humusschicht, in der die (Feld-)Pflanzen wachsen und gedeihen. Diese dünne Haut ist voller Nährstoffe, voller Mikroorganismen – und sie ist eine natürliche Senke, die Kohlenstoff bzw. CO2 aus der Atmosphäre bindet, ähnlich wie Moore oder Wälder. Je intakter die Humusschicht, desto mehr Klimaschutz und desto bessere Lebensmittel, denn gesündere Böden bringen werthaltigere Feldfrüchte hervor – die bestenfalls sogar besser schmecken (wie man es von vielen ökologisch erzeugten Lebensmitteln kennt).
Mobile Hühner und Agroforst
Bei der „Berlin Food Week“ 2021 fand der offizielle Start von „Zero Foodprint“ in Deutschland statt: Rund 70 Restaurants, nicht nur in der Hauptstadt, sondern im ganzen Land verteilt, servierten ihren Gästen eine Woche lang ein Menü aus vorwiegend regionalen, nachhaltig hergestellten Produkten unter dem Motto „eine kulinarische Klimakampagne“ – und jeweils ein Prozent der Umsätze aus den verkauften Menüs floß in das Projekt. Mit diesen Spenden konnten bisher zum Beispiel eine mobile regenerative Hühnerhaltung, ein Hühnermobil, für den „Gut Haidehof“ bei Hamburg angeschafft werden. Statt nur rund um den Stall zu schaffen, sind die Hühner damit ähnlich unterwegs wie Schafe: Das Mobil wird auf ständig neues, frisches Grünland bewegt, was Nährstoffüberschuss durch zu viel Kot verhindert und statt dessen eine gleichmäßige Düngung bewirkt – für gesundes Pflanzenwachstum. Ebenfalls gingen Gelder an „Werragut“ bei Eschwege, eine solidarische Landwirtschaft, auf der aktuell ein 12 Hektar großes Agroforstsystem entsteht. Hühner und Rinder werden schon bald zwischen Nuss- und Obstbäumen sowie Beerensträuchern weiden, über 1.000 Gehölze werden gepflanzt, die mit ihrer Durchwurzelung Grundwasser ebenso speichern wie CO2. Kurz: Es werden durch den Verkauf – und Genuss – von Speisen und Getränke in der Gastronomie Projekte unterstützt, die das Klima schützen.
Namhafte Unterstützer*innen
Auch im Fachbeirat von „Zero Foodprint“, der über die Verteilung der Gelder mitentscheidet, ist die Gastronomie vertreten, u.a. in Person der bekannten TV-Köchin und EU-Abgeordneten Sarah Wiener und dem Berliner Gastronomen Billy Wagner vom Sterne-Restaurant „Nobelhart & Schmutzig“. Stichwort Sterne: Restaurants, die mitmachen wollen, müssen nicht hochdekoriert sein, sie müssen auch kein ausgewiesen nachhaltiges Profil vorweisen können – alle können mitmachen, vom Imbiss bis zum Gourmetrestaurant, vom Straßencafé bis zum Club. Jedes Prozent zählt.
#eatforearth: Aktionswoche im April 2022
Eine gute Möglichkeit, sich der Initiative anzuschließen, bietet die Aktionswoche rund um den diesjährigen Earth Day am 22. April 2022. Eine Woche lang (vom 17. bis 23. April) spenden die teilnehmenden Gastro-Betriebe, ähnlich wie bei der „Berlin Food Week“, in dieser Zeit 1% ihres Gastro-Umsatzes für ein heimisches Klimaschutzprojekt: Die Spenden gehen an den „Hof Lebensberg“ im pfälzischen Obermoschel, auf dem zurzeit wenig bekannte Gemüsesorten wie Hosta oder Taglilie testweise kultiviert werden – diese Sorten sie sind mehrjährig, sodass eine Bodenbearbeitung, welche die gesunde Bodenstruktur schädigt und die CO2-Speicherung verringert, wegfällt. Also: Besondere Gemüsesorten, die auf den Tellern in der Gastronomie sicher gut ankommen, und Klimaschutz – hier kommen sie zusammen und es schließt sich ein Kreis.
Mehr Infos: www.zerofoodprint.de
Autor Jan-Peter-Wulf vom www.nomyblog.de
Fotocredit Zero Foodprint